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Die einzig akzeptable Alternative

von Peter Wahl

Im Ukraine-Krieg kreuzen und vermischen sich zwei Konflikttypen: zum einen der aus dem chaotischen Zerfall der UdSSR resultierende Regionalkonflikt, wie er auch in Süd-Ossetien, Abchasien oder Transnistrien besteht, zum anderen die geopolitische Konfrontation um die Weltordnung. Bei letzterer stehen auf der einen Seite die Verfechter einer multipolaren Welt, vor allem China und Russland, aber auch Indien, Südafrika und andere Länder des globalen Südens. Auf der Gegenseite der von den USA angeführte Westen, der um seine 500-jährige Vorherrschaft über den „Rest der Welt“ fürchtet und deshalb mit Zähnen und Klauen daran festhält.

Wie mit jedem Tag deutlicher wird, ist die geopolitische Konfrontation der harte Kern des Krieges. Den USA und ihrem Gefolge geht es in der Hauptsache darum, Russland als geopolitischen Rivalen auszuschalten oder zumindest drastisch zu schwächen, um sich dann auf China konzentrieren zu können. Dafür kann ohne Rücksicht auf die humanen Kosten bis zum sprichwörtlichen letzten Ukrainer gekämpft werden.

Das rechtfertigt nicht den russischen Einmarsch, holt aber den Westen und all jene, die im Kielwasser der NATO mit Waffenlieferungen und Eskalation des Wirtschaftskriegs auf Sieg, statt auf Kompromissfrieden setzen, von ihrem moralischen Podest herunter.

Die geopolitische Konfrontation hat bereits vor über 20 Jahren mit der NATO-Osterweiterung und der Aushöhlung des Völkerrechts - insbesondere durch die Angriffskriege gegen Jugoslawien, Irak, Afghanistan und Libyen - begonnen. Sie wurde mit Wirtschaftskrieg, Sanktionen und Wettrüsten inzwischen auch auf China ausgeweitet. Sie ist auch der Grund, warum Indien, Indonesien, Südafrika, Brasilien, Mexiko und viele andere Länder des globalen Südens neutral bleiben.

Wem es wirklich um Menschlichkeit und Empathie mit den Kriegsopfern geht, für den kann die moralisch einzig akzeptable Alternative zu Waffenlieferungen und Abnutzungskrieg nur ein Kompromissfrieden sein. Maximalpositionen bringen keinen Frieden. Jede Seite muss Zugeständnisse machen.

Eckpunkte einer politischen Lösung könnten sein: Waffenstillstand, Abzug aller russischen Truppen, Entmilitarisierung des Donbass, überwacht von neutralen Truppen, und nach einiger Zeit ein Referendum unter internationaler Aufsicht, sowie Neutralität der Ukraine statt NATO-Mitgliedschaft, Ende des Wirtschaftskriegs, sowie die Akzeptanz des Prinzips der ungeteilten Sicherheit, d.h. dass keine Seite ihre Sicherheit auf Kosten der anderen erhöht.

Peter Wahl,

geboren 1948 in Worms, Publizist. Gründungsmitglied von Attac Deutschland. Zuletzt erschien von ihm (zusammen mit Tariq Ali u.a.) „Die extreme Mitte. Wer die westliche Welt beherrscht. Eine Warnung“ (Promedia Verlag).

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