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Das Impfdesaster der Euro-Patrioten

von Peter Wahl

Wer kennt ihn nicht: Den Spruch, dass in jeder Krise auch eine Chance liegt. Das hat sich auch die EU-Kommission gedacht und Corona genutzt, um mal wieder Kompetenzen an sich zu ziehen, die ihr vertraglich nicht zustehen. Gesundheitspolitik gehört nicht zu den vergemeinschafteten Politikfeldern, sondern ist Sache der Mitgliedsstaaten. Dennoch griff Brüssel gierig nach der Gelegenheit, sich bei der Impfstoffbeschaffung in den Vordergrund zu spielen. Merkel hat die EU-Zentrale darin bestärkt, weil sie damals noch dem Irrtum verfallen war, Deutschland wäre relativ gut durch die Krise gekommen.

Als im Dezember 2020 das Impfen losging, legte die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen dann prompt eine Platte mit Euro-Kitsch auf und sprach von einem „berührenden Moment der Einigkeit“ und von einer „europäischen Erfolgsgeschichte.“ Schaumschlägerei war schon immer das einzige Gebiet, auf dem sie wirklich gut ist.

Inzwischen hat sich die Beschaffungspolitik als Desaster erwiesen, weil sich Brüssel von den Pharmakonzernen über den Tisch ziehen ließ. Selbst staatragenden Medien wie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ist aufgefallen, dass nicht nur Unfähigkeit dafür verantwortlich ist, sondern die konzernfreundliche Denke „in Brüssel, das traditionell auf privatwirtschaftlichen Wettbewerb ausgerichtet ist.

Aber das Beste kam noch. Als die Kommission merkte, dass sie einen Flop gelandet hatte, verhängte sie Exportkontrollen für den Impfstoff. „EU first!“ lautet jetzt die Devise, euro-patriotischer Impfnationalismus pur. Auch von Solidarität mit den Ländern des Südens keine Spur. Wieder einmal eine Lektion für all jene, die – bis in die Linke hinein – die supranationalen Ambitionen der EU mit Internationalismus verwechseln.

Die gute Nachricht: bis in konservative Kreise in den Hauptstädten ist der Unmut groß. Insofern könnte es sein, dass die Kompetenzanmaßung Brüssels sich dieses Mal als Schuss in den Ofen erweist.

Peter Wahl,

geboren 1948 in Worms, Publizist. Gründungsmitglied von Attac Deutschland. Zuletzt erschien von ihm (zusammen mit Tariq Ali u.a.) „Die extreme Mitte. Wer die westliche Welt beherrscht. Eine Warnung“ (Promedia Verlag).

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