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Benito Cereno: Sie brauchen uns dringendst!

von Jesper Larsson Träff

Der Unzustand spitzt sich zu. Im europäischen Kernland werden die sogenannten „Maßnahmen“ (ein Unwort des Jahres) jeden Tag, für alle sichtbar, absurder, faktenbefreiter (eine Maskenpflicht im Freien?), widersprüchlicher, unzusammenhängender, aber auch bösartiger, bedrohlicher und diskriminierender (notorisch: das 2G-Regime); Willkürgesetze und -verordnungen, die Ministern fast uneingeschränkte Gestaltungsfreiräume geben, werden verabschiedet, teilweise ohne die Öffentlichkeit in Kenntnis zu setzen; in Österreich wird versucht, eine Impfpflicht einzuführen. Das Parlament verabschiedet sie ohne jede ernsthafte Prüfung. Die mehr als 180.000 Stellungnahmen von allen Seiten der Gesellschaft werden schlichtweg ignoriert.

Was wollen die Damen und Herren, die den Anschein geben möchten, über uns, unseren Alltag und unser Wohl bestimmen zu dürfen, uns damit sagen? Glauben sie an den Unrat, den sie produzieren? Ignorieren sie das Unheil, das sie über das Land bringen? Finden sie zu keinem geordneten, den Fakten entsprechenden (es gibt unlängst keine Pandemie) Rückzug (zugegeben: kaum mehr möglich)? Oder sind sie, wie der Piratenkapitän Benito Cereno, stattdessen selber Gefangene, die durch sich immer weiter eskalierende Absurditäten verzweifelt versuchen, uns um Hilfe zu bitten, um sie und uns und das Land vor einem Würgegriff zu retten und zu befreien? Sieht man die gejagten und geplagten Gesichter, die unsichere, hölzerne Gestik, die pumpenden Masken, hört man die überzeugungslos abgelesenen, nicht verständlichen Texte, könnte man zu diesem Eindruck gelangen. Aber dann haben wir kläglich versagt, diese subtil-brachialen Signale überhört und übersehen und selber nicht verstanden.

Jetzt, fast zwei Jahre später, sitzen die Herren und Damen immer noch herum, gezwungen die menschliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Katastrophe, die längst passiert ist, weiterhin verwalten zu müssen, insofern sie nicht das Schiff verlassen haben, wegen Burnout, Skandälchen, aus Kalkül, vielleicht doch aus Verzweiflung, oder weil die vorgesehene Rolle zu Ende gespielt war. Aus Angst, Feigheit und Verblendung wagt sich keiner mehr raus; obwohl ein einziges Exempel in dieser Richtung große Kraft entfalten würde. Unser Versagen kann aber noch korrigiert werden, in dem wir uns bereit zeigen zu helfen, das Schiff wieder von den Piraten zu übernehmen: Zahlreich auf der Straße, mit allen rechtstaatlichen und zivilgesellschaftlichen Mitteln, überall, und noch wichtiger und eindrucksvoller, auf allen Ebenen des Alltags, signalisieren, dass wir verstanden haben und endlich das Ruder herumreißen wollen. Jeder und jede von uns.

Und dann muss endlich der Frage von den wirklichen Meistern nachgegangen werden, von wo und wem denn die Bedrohung, die Erpressung und die Geiselhaft ausgehen, und mit welchen Mitteln. Vielleicht hilft es zu überlegen und dem nachzugehen, ob oder dass das europäische Kernland längst, und beschleunigt durch die Maßnahmen, bankrott ist, und nicht nur im technischen Sinne.

Jesper Larsson Träff,

geboren 1961 in Kopenhagen, ist Professor für Informatik (paralleles Rechnen) in Wien. Die hier geäusserte Meinungen und Analysen sind persönliche Ansichten und stehen in keinem Zusammenhang mit der TU Wien.

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