email whatsapptwitter facebook

Schrauben anziehen, dass es kracht

von Gerhard Ruiss

Die österreichische Politik ist an einem Punkt angelangt, an dem vom Schutz der Bevölkerung nur noch Verbote für die Bevölkerung überbleiben. Die Polizei darf annehmen, dass es bei einer Demonstration zu Verstößen gegen die Schutzmaskenpflicht und Corona-Abstandsregeln kommt und kann daher die Demonstration verbieten. Da das Verbot die erklärten Gegner der Corona-Politik der Regierung betrifft, gibt es außer bei den Betroffenen keine Befürchtungen, ein solches Verbot könnte prinzipiellerer Natur und von größerer Tragweite sein. 

Das stimmt freilich nicht, weil Folgendes zutrifft: Es wird auf Grund einer Annahme das Demonstrationsrecht präventiv beschnitten. Bei medialen Äußerungen ist das der klassische Fall der verbotenen Vorzensur. Es wird auf Grund der Annahme, dass bei einer Demonstration gegen Maßnahmen der Regierung verstoßen wird, untersagt, gegen diese Maßnahmen der Regierung zu demonstrieren. Es werden Demonstrationen mit haftbaren Verantwortlichen und Ordnerdiensten verhindert und Demonstranten generell als „Coronaleugner”, darunter Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker, gebrandmarkt und illegalisiert. Niemand fragt sich noch, wie viele von den Demonstrierenden deshalb demonstrieren, weil sie vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, und niemand soll sich mehr daran erinnern, dass sich Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker auch unter den Protestierenden der Hainburger Au-Besetzung und der Anti-Zwentendorf-Bewegung befunden haben.

Die österreichische Regierung kann den Kampf gegen die Corona-Pandemie bis auf Weiteres nicht mehr zu einem Prestigeerfolg für sich machen. Sie hat ihr Prestige in dem Augenblick eingebüßt, in dem klar wurde, es liegt nicht an der mangelnden Bereitschaft der Bevölkerung, sich gegen Corona-Infektionen impfen zu lassen, es liegt an der mangelnden Fähigkeit der Regierung, für die Bereitstellung des Impfstoffs zu sorgen. Jetzt rennt sie dem Impfstoff nach oder signalisiert es zumindest und zieht die Schrauben an, dass es kracht.

Belege dafür finden sich überall. Auch in der zuletzt wieder verschärften Asylpolitik, bei der nunmehr sogar bereits in Österreich geborene und zur Schule gehende Kinder und Jugendliche abgeschoben werden. Probleme damit, dass heimlich geschredderte Regierungsfestplatten, rege regierungs- und gesetzesbildende Spendengeldflüsse oder geheimdienstliche Bestechlichkeit und Untätigkeit bei Gefährdung durch Terroristen das österreichische politische Leben bestimmen, gibt es hingegen keine.

Gerhard Ruiss,

geboren 1951 in Ziersdorf/Niederösterreich, ist Autor, Musiker und Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren.

    © 2021 Verein für kulturelle Information

    Impressum